Märder und Füchse mit dem Hund jagen Teil I – erfahren Sie mehr

Um es vorwegzunehmen: Waldi, der Dackel, hat keinen Stammbaum, findet sich auch in keinem Zuchtbuch: seine Ahnen lassen sich nicht mit Sicherheit bestimmen, und abgerichtet hat ihn auch niemand. Er ist ein Naturtalent, durfte durch Zufall seine jagdlichen Fähigkeiten entfalten. Ebenso wie sein Führer, der Hecken-Fritz, dem unsere Jägervereinigung Feuchtwangen den Ehrentitel „Fuchsmeister” verliehen hat.

Diese beiden bilden ein Gespann, das im Verlauf des langen Lebens von Waldi an die tausend Füchse und Marder zur Strecke brachte. Soviel Raubwild während etwa zehn Arbeitsjahren, das ist eine ungeheure Leistung. Dass diese Zahl stimmt, dafür verbürge ich mich.

So haben wir mit dem Hecken-Fritz und Waldi allein in unserem Revier im Zeitraum von sechs, sieben Jahren – noch vor dem Höhepunkt der Population – etwa einhundert Marder gesprengt. Dazu kamen in anderen Revieren die Winterfüchse und viele, viele Jungfüchse. Es wird wenige Baue im Gebiet mehrerer Hegeringe geben, in die nicht der Fritz und sein Waldi ihre ausgezeichneten Riechorgane gesteckt haben. Dabei ist zu vermerken, dass auch die Nase von Friedrich Höck, so der bürgerliche Name des Fuchsmeisters, von ausgezeichneter Qualität ist.

Folgendes Beispiel mag stellvertretend Zeugnis für diese Behauptung ablegen. Ein Winter Mitte der siebziger Jahre war’s. Ganz wenig Schnee lag noch an den Nordrändern der Forsten, in Hohlwegen und Dickungen. Wir riegelten Reineke in einem fuchsgesegneten langgestreckten, südseitigen Waldhang. Der Rote lief einen Schützen an, dieser traf, aber das Wild blieb nicht liegen, sondern flüchtete über freies Feld und wurde trotz intensiver Nachsuche nicht gefunden. Die Kontrolle des nahen Baues ergab im sandigen Boden und auf den spärlichen Schneeresten keine Anzeichen, dass der kranke Rotrock ihn angenommen hatte. Hecken-Fritz war nicht dabei, sondern stieß erst später wieder zur Jagdgesellschaft.

Wie es seine Art ist, begnügte sich der Fritz nicht mit dem traurigen Nachsuchenergebnis. Als wir in einem anderen Revierteil einen weiteren Riegler beginnen wollten, war er erneut verschwunden und suchte mit einem Begleiter nach dem Fuchs. Er marschierte schnurstracks zum bereits abgesuchten Bau. Und da bewährte sich Fritzens ausgezeichnete Nase. Kaum hatte er dieses wertvolle Gesichtsorgan in die Röhren gesteckt – sein Dackel hätte dann Laut gegeben -, sprudelte er aufgeregt halb in den Bau und halb zum Dahinterstehenden, dass er den Fuchs schmeckte und dass der Kranke nirgendwo anders als hier, nicht weit von seiner Nase entfernt, stecken würde.

Weil wir alle große Hochachtung vor der Leistungsfähigkeit von Hecken-Fritzens Geruchssinn haben, wurde der zweite Riegler abgebrochen, und alles eilte zurück zum Bau. Waldi wurde geholt, bestätigte durch giftigen Laut das Riechergebnis seines Herrn, aber der Fuchs sprang nicht. Wir erweiterten den schon begonnenen Einschlag, der Hecken-Fritz, ein Mann ohne Furcht und Tadel, griff den Fuchs an der Lunte und zog, bis Reineke plötzlich zurückschnellte und, den Fluchtweg suchend, Fritz an die Brust flog und sofort wieder zurück in den Bau verschwand. So bleich hatte ich unseren Fuchsmeister noch nie erlebt. Immerhin konnten wir das Raubwild jetzt – weil die Endröhre zu einem Röhrenstummel geschrumpft war – schnell abfangen.

Ein paar Jahre vorher gab’s die autofreien Sonntage. Schnee lag, Marder wurden gespürt, und mit den Fahrrädern ging’s hinaus ins Revier. Wir schossen zwei Marder mit dem Waldi und kehrten nach löblichem Brauch im Dorfwirtshaus ein. Der Tag war kalt gewesen, und es fror uns. Ein paar Schnäpse erwärmten die frierenden Jäger, und bei einigen Halben Bier entspann sich rückblickend und vorausplanend die Abendunterhaltung.

Plötzlich wurde es unserem Fuchsmeister schlecht – er hatte dem Alkohol wirklich nur mäßig zugesprochen -, und er musste sich auf der Wirtshausbank niederlegen. Dabei war er käseweiß im Gesicht und zitterte wie Espenlaub im Wind. Da es ja der autofreie Sonntag war, riefen wir einen Sanitätswagen, der den Patienten abholte. Doch für Waldi, den Langhaardackel, war im Krankenhaus kein Platz. In die Heimat von Fritz wollte keiner mehr zurücklaufen, weil wir alle ein paar Kilometer entgegengesetzt wohnten.

Also nahm ich unseren wertvollen Jagdgehilfen im Rucksack mit nach Hause. Die Nacht war kalt und klar, weit und breit störte kein Autolärm die nächtliche Winterstille. Nur das Schnurren der Pedalen begleitete unseren Heimweg mit dem Fahrrad auf eisglatter Straße. Wir wären auch fast gut heimgekommen, der Waldi und ich, wenn ich eine Kurve nicht allzu forsch angestrampelt hätte.

Im schönsten Schwung kam ich in eine Eisrille, fand nicht mehr heraus, schlenkerte ein paar Meter, krampfhaft bremsend und lenkend, dahin und stürzte dann – Jager, Dackel, Kurzhaarrüde, Gewehr und Fahrrad gestreckterlängs – aufs harte Pflaster. Ernsthafen Schaden nahm keiner der Beteiligten, und den restlichen Weg schafften wir auch ohne weitere Fährnisse.

Aber dann kam die Nacht. Dem von mir so hochgeschätzten Waldi gefiel der Aufenthalt in meinem schön eingerichteten Zimmer nicht. Kaum hatte ich mich zum Schlaf niedergelegt, begann mein „Besuch” zu jaulen. Erst leise winselnd, steigerte er seine Lautäußerungen zu heftigem Bellen. Im Interesse des Schlafes der Mitbewohner des Hauses beschloss ich, dem Waldi – vielleicht hatte er ein dringendes Bedürfnis – in den nachtstillen Straßen unserer Kleinstadt kurz Auslauf zu gewähren. Dann würde er sicherlich auch meinem Ruhebedürfnis Rechnung tragen.

Bei der ganzen Sache machte ich den groben, jungjägerhaften Fehler, dass ich den Hund nicht anleinte. Ich war’s halt von meinem Deutsch-Kurzhaar-Rüden gewohnt, ihn ohne Leine zu führen – was ich auch einmal schwer büßen musste. Auf jeden Fall suchte der Dackel, sobald ich die Haustüre einen Spalt geöffnet hatte, mit hastigem Eifer das Weite. Wie mir zumute wurde, lässt sich leicht begreifen. Läuft mir in eiskalter Winternacht – das Thermometer zeigte auf 20 Grad minus – der anvertraute Hund davon! Da gab’s kein Zögern, sondern nur eiliges Nachsetzen. Der Haken an meinen Verfolgungsabsichten lag an der Bekleidung. Nachdem ich mit einem kurzen Aufenthalt unter der Haustüre gerechnet hatte, war ich nur mit Filzschlappen, Schlafanzug und Bademantel ausgerüstet. Aber ich konnte mich ja jetzt nicht noch umziehen.

Also sprang ich hinaus in die wunderschöne, mondhelle, eisigkalte Winternacht, dem Dackel hinterher. Die Pantoffeln verlor ich nach kaum hundert Metern. Das förderte zwar jetzt meine Geschwindigkeit, aber der Schnee war kalt. Doch das spürte ich nicht, ich wollte nur den Hund wieder, und der hatte schon einen beträchtlichen Vorsprung. Bis er zu unser beider Glück, er begriff es vielleicht gar nicht, Zuschlupf unter einem Auto suchte. So holte ich ihn ein.

Nur – die Verfolgungsjagd war nicht ganz lautlos vonstattengegangen. Alle möglichen Bitt- und Kommandotöne hatte ich dem Hund durch die stille nächtliche Stadt nachgerufen. Und jetzt, als er unter dem Auto hockte, begann er Antwort zu geben. Keine freundliche, sondern eher giftig maulend. Ich legte mich auf den Bauch in den Schnee und griff nach dem liebenswerten Jagdgefährten – bis er mich biss. Doch ich ließ nimmer aus. Er hatte mich, aber auch ich hatte ihn und zog ihn sogleich unter dem Fahrzeug hervor, machte meine Hand frei, die nur ein wenig blutete, und nahm den Hund n den „Schwitzkasten”.

Weil aber im Nachbarwirtshaus – ich bin ja auch Gastwirt – noch Betrieb war und unser nächtliches Intermezzo nicht unbemerkt blieb, hatten wir plötzlich Zuschauer. Die interessiert-besorgte Frage des Berufskollegen, was ich wohl nachts im Schlafanzug und barfuß vor seinem Wirtshaus unter dem Auto eines Gastes suchte, beantwortete ich recht kurz. So schnell wie ich gekommen war, eilte ich zurück.

Märder und Füchse mit dem Hund jagen Teil I