Am Morgen hatte der Nachbar einen Hirsch beschossen, der mit der Kugel in der Kieferndickung verschwunden war. Am Anschuss kaum Schweiß, der Sitz der Kugel ungewiss. Da hieß es ein paar Stunden warten und dann den Hund ansetzen. Natürlich Schufti, die schwarze Teckeldame, die schon manche schwierige Arbeit geleistet hatte. Sie stand zwar im 13. Feld, war reichlich behäbig geworden und kurzatmig. Aber dass sie noch zuverlässig arbeitete, hatte sie erst vor kurzem bewiesen, als sie den kurz waidwund geschossenen Bock sicher am Riemen arbeitete, und als er aus dem Wundbett hoch wurde, ihn zu Stande hetzte und solange stellte, bis ich im dicksten Zeug den Fangschuss auf wenige Meter anbringen konnte.
Aber als ich an den Zwinger trat, blieb alles still. In der Hütte lag unser Schuft zusammengerollt und schon steif. Zwei, drei Schmeißfliegen schwirrten mit ekligem Brummen um das feine Köpfchen. Das kleine, tapfere Teckelherz hatte längst aufgehört zu schlagen.
Als ich am Abend zuvor ins Revier fuhr, stand sie vor der Zwingertür, voll Erwartung, mit bettelndem Blick. Sie war ja immer bereit, wie eben nur ein Hund bereit sein kann. Es war kaum faßbar: vorbei zwölf Jahre gemeinsamen Jagens, Jahre voll bunten Erlebens und unvergeßlicher Augenblicke. Gewiss, ein Hundeleben ist kurz, aber wenn eine Gemeinschaft bestanden hat, bleibt bei allem Schmerz des Verlustes unauslöschlich die Erinnerung.
Wie war es gewesen? Ich hatte, seltener Glücksfall in einer wirren und rechtlosen Zeit, 1946 mein Forstamt bekommen. Arbeit gab es genug, Sorgen wegen der angeordneten Einschläge, wegen der Aufforstung der großen, kahlgeschlagenen Flächen. Sorgen auch wegen der ungeordneten Jagdverhältnisse und des bedrohten Wildbestandes. Es kamen die „Permit-Waffen”, der ausgehändigte Drilling und die ersten Versuche, im Revier wieder Ordnung zu schaffen. Füchse gab es reichlich, zu reichlich. Wer sollte sie auch kurzhalten! Ja, wenn man einen guten Bauhund hätte, welche Möglichkeiten!
Da bot mir im Frühjahr 1947 ein Bauer eine einjährige Teckelhündin an. Er müsse sie abgeben, sie verleite seinen Schäferhund zum Stromern. Abstammung, Papiere, natürlich nicht, geführt noch weniger. Aber was machte das, sie gefiel mir, und ich nahm sie sofort. Sie war reizend: kurzhaarig, schwarz mit roten Abzeichen, ein wenig kurz vielleicht, aber mit breiter Brust und kräftigen Läufen. Ein bisschen vollschlanker Backfisch, voll Übermut und mit einem für eine Hundedame unwahrscheinlichen Charme. Es gab niemand, der sich ihrer Liebenswürdigkeit entziehen konnte, eine Tatsache, die ihrer „schlanken Linie” wenig zuträglich war.
Die erste Heldentat blieb nicht lange aus. Eines Morgens lagen 13 Küken auf der Strecke, und unser Sünder, der schwarzen Tat voll bewusst, sorgte ängstlich für sicheren Abstand. Naja, der Name Schufti verpflichtet, und schließlich war man ein Teckel und kein pomadiges, wohlerzogenes Schoßhündchen. Der nächste Streich ließ sich sehen. Wir bummelten durch die Felder, Schufti revierte im nahen Knick und war prompt verschwunden. Da war eine versteckte Röhre, und daraus erklang der giftige Laut der Hündin. Nicht lange, da sprang ein starker Fuchs, flüchtete über den Sturzacker und hinterher in höchster Erregung unser Schufti. Wie waren wir stolz!
Der Sommer brachte die ersten Nachsuchen auf den Bock. Es waren gewiss keine schweren kilometerlangen Arbeiten, das Entscheidende aber war, mit welcher Selbstverständlichkeit Schufti sich am Anschuss ansetzen ließ und ruhig und bedächtig die Schweißfährte am Riemen ausarbeitete. Schließlich war sie auf ihre Aufgabe in keiner Weise vorbereitet worden, hatte noch nie eine künstliche Fährte gearbeitet. Sie wurde sofort in die Praxis gestellt und bestand. Schon damals wurde mir klar, was für einen glücklichen Griff ich getan hatte. Es gab auch später keine Arbeit, die sie nicht aus sich heraus beherrschte. Was auch gefordert wurde, sie wusste sofort, worauf es ankam, und erledigte ihre Aufgabe mit spielender Selbstverständlichkeit.
Es kam der erste Winter und damit die große Zeit der Bewährung. Es verging keine Woche, in der wir nicht eine Reihe Baue revidierten und den zahlreichen Füchsen an den Balg rückten. Ich bedauere heute, dass ich nicht festgehalten habe, wie viel Füchse Schufti sprengte. Ich selber schoss 21 in diesem ersten Winter, aber das war nur ein Teil, denn meist waren wir zwei bis drei Schützen, und nicht jeder Fuchs kam zur Strecke. Ich will nicht einmal behaupten, dass die Hündin sonderlich scharf war und den Füchsen nicht vom Leder ging, sie im wahrsten Sinne des Wortes herausbiss. Natürlich wurde auch sie hin und wieder geschlagen und trug mit der Zeit manchen Schmiß davon. Aber ich bin überzeugt, dass sie das als unbeabsichtigten Unglücksfall wertete und gar nicht daran dachte, sich bewusst solchen Gefahren auszusetzen. Schufti hatte ihre eigene Taktik.
Gott sei Dank! Denn, liebe Waidgenossen, haben Sie einmal mit einem „rabiat scharfen” Bauhund gesprengt? Haben Sie einmal bei hartem Frost und scharfem Ostwind stundenlang vorm Bau gestanden, und unten lag der unübertroffen scharfe Hund vor, hatte den Fuchs im Sackrohr und gab ihm keine Chance, das Feld zu räumen und zu springen? Na, ich danke, da hört die Gemütlichkeit auf. Man mag mich mitleidig belächeln, aber ich bin froh, dass ich nie so einen „Champion” an Schärfe besessen habe.
Mein schwarzer Schuft machte es immer anders. Erst einmal heran an den Bau, eine Ehrenrunde, Nase voll Wind, aha, er steckt, der Stinker. Ein Blick, der fragt: „Bist du auch bereit?” Und weg ist die Hündin. Schon poltert es, und nun hat sie ihn fest. Dumpf klingt der Laut von unten heraus. Weiter geht die Jagd unter der Erde und dann wieder Standlaut, Schlag auf Schlag. Er will nicht rücken, oder kann nicht, weil du ihm den einzigen Weg versperrst. Warten wir ab! Und schon ist die Hündin da. Knapp fünf Minuten hat sie Vorgelegen. Weg ist sie wieder! Versuchen wir’s halt von der anderen Seite. Siehst du wohl, jetzt haben wir ihn in Bewegung, und nun hast du ihn wohl verloren, denn da ist die Hündin wieder und umschlägt den Bau in weitem Bogen. Nein, nein, er ist noch drin, Also neuer Angriff, Poltern, kurzer giftiger Laut, und da ist er schon wie der Blitz aus dem Nebenrohr. Im Schuss rollt er, die Lunte zuckt noch etwas. Jawohl, jetzt kannst du ihn beuteln nach Herzenslust.
Aber sie lässt sich kaum Zeit, ist bereits wieder im Bau verschwunden. Also steckt noch einer. Und dem ist die Unruhe in seiner Burg zweifellos auf die Nerven gegangen. Dieser unruhige schwarze Teufel ist auch überall, taucht hier auf. Läßt ab und da kommt er schon wieder durch das andere Rohr, und wenn man glaubt, ein verstecktes Plätzchen gefunden zu haben, erscheint der Schuft auch da. Versuchen wir ihn abzuschütteln und dann leise zu verschwinden.
Links vor mir hebt sich sachte das Fallaub, ein verwehtes Notrohr! Es erscheinen die Gehöre, der Fang. Der Rotrock prüft sorgfältig den Wind, dann steht er vorm Bau, schüttelt sich sogar noch den Sand aus dem Balg, äugt noch mit schiefem Kopf in das Rohr zurück und will sich in aller Gemütsruhe verdrücken. Man sieht ihm förmlich an, wie befriedigt er ist, den lästigen Kläffer aufs Glatteis geführt zu habe. Nun, er kommt nicht weit, die Schrotgarbe fasst ihn voll und lässt ihn auf der Stelle verenden.
Wenig später ist Schufti da, beutelt den starken Rüden ein wenig, kommt mit hochgestellter Rute zu mir und lässt sich anleinen. Der Bau ist leer, zwei Füchse sind auf der Strecke, und der ganze Spaß hat knapp eine halbe Stunde gedauert. Also weiter zum nächsten Bau.
Ja, so machten wir das. Leise heran an den Bau. War er befahren (Schufti täuschte sich nie!), wie der Teufel hinein, tüchtig Rabbatz gemacht, den ganzen Bau verstänkert. Wollte der Rote nicht, dann immer wieder von einer anderen Seite heran, bis ihm Lärm und Unruhe zu viel wurden und er sich davonstahl. Warum sich auf unnötige Raufereien einlassen, wenn’s anders viel besser ging. Bestenfalls ein kurzer, scharfer Angriff, Rückzug und durchs Nachbarrohr dem Stinker in Rücken oder Flanke. Selten einmal, dass ein Fuchs nicht spätestens in 15 bis 20 Minuten sprang, fast nie, dass Schufti ihn überhaupt nicht herausbekam. Natürlich kam auch das einmal vor, aber auch dann brauchte ich nicht stundenlang zu stehen und mir Eisbeine holen. Schufti hatte sich sehr bald angewöhnt, von Zeit zu Zeit herauszukommen und nachzusehen, ob ich auch noch da war. Sah sie mich auf meinem Platz, war sie wie der Blitz wieder verschwunden und ließ sich auch nicht abrufen. War ich weggegangen, ließ sie Fuchs Fuchs sein und kam sofort nach. Ich hatte es also jederzeit in der Hand, abzubrechen, wenn die Sache aussichtslos erschien.
Unterschiedlichen Jagdarten, Jagdhund und spannende Geschichten darüber Teil II