Märder und Füchse mit dem Hund jagen Teil I
Es wunderte mich, dass mir die Kälte nichts ausmachte. Aber das Streusalz! Trotz sofortigen Fußbades brannten anderntags die Zehen wie Feuer. Bleibender Schaden. Der entstand nicht, und dem Waldi wurde aus jagdlichem Interesse schnell wieder verziehen.
Damals, als der Dackel seine ersten jagdlichen Gehversuche unternahm, war ein ähnlicher kalter Tag. Schneelag, Marder waren fest, aber geeignete Hunde schwer zu bekommen. Ihre Führer mussten zum Teil mit dem Auto abgeholt werden, hatten kein Telefon; es war oft recht unsicher, ob wir die erhofften Marder bekommen würden.
Als wir wieder einmal ohne Hund bei einem Gehöft standen, in dem Weißkehlchen seine Zufluchtsstätte gesucht hatte, bemerkte unser damals stets dabeiweilender überpassionierter Hecken-Fritz, dass er einen Dackel TI Auto hätte. Ich erinnere mich noch gut, wie zögernd auf das Angebot eingegangen wurde. Aber Probieren kostet nichts, und ohne diesen Versuch bestand keine Aussicht mehr, mit Beute heimzukehren.
So kroch der Fritz erstmals mit dem eigenen Hund unters Dach der langen und wohlgefüllten Scheune. Der Vorteil dieses Gebäudes war, dass keine Anbauten die Bejagung erschwerten, aber dafür hatten wir uns eine der längsten Scheunen vorgenommen, die es im Revier gab. Der Fritz hatte kaum seinen jungen Waldi ins Stroh geschoben, als der giftigen Laut gab – und gleich darauf fiel draußen ein Schuss.
Keine fünf Minuten waren verstrichen, da lag Waldis erster Marder schon auf dem Vordach der Milchkammer, wohin er durch das oberste Giebelloch aus der Scheune geflüchtet war.
Wie oft standen wir stundenlang um einen Bauernhof, und außer dem Laut des Hundes hinter einer unumgänglichen Riegelwand erlebten wir keine Aufmunterung. Wie oft jagten wir auch vergeblich, wenn der Marder in einen Zwischenboden schlüpfte oder ins angebaute Wohnhaus querte, wo er hinter irgendwelchen Zwischenwänden sicher war. Oder die Fehl-suchen, wenn der Hund sich um Katzen kümmerte, anstatt den Marder zu sprengen.
Ich weiß noch gut, wie viel Strohstöcke wir umschichteten, um zum hintersten Dachwinkel zu kommen und dass dann die ganze Arbeit umsonst war, weil irgendein fauchendes Kätzchen im letzten Winkel hockte und nicht wegflüchtete.
Da war’s schon wichtig, nun über einen Hund zu verfügen, der den Marder scharf anging und der mitsamt Führer regelmäßig zur Verfügung stand. Denn der Hecken- Fritz hatte damals einen jagdlich verständigen Vorgesetzten, der ihm die notwendigen Freiheiten gewährte.
Mit dieser kurzen Marderjagd begann die erfolgreiche Hundeführer-„Karriere” des jetzigen „Fuchsmeisters” Friedrich Flöck.
Auch in unserem Revier entwickelten sich die jährlichen Marderstrecken aufwärts. Kein Schneemorgen ohne Spüren und Jagen, kein Wintertag mit Aussicht auf Beute blieb ungenutzt! Auf bis zu vier Marder am Nachmittag stieg der Erfolg.
Der Waldi und der Hecken-Fritz wurden selbstverständlich nicht über Nacht zum ausgezeichneten Jagdgespann, und die anderen Hundeführer schoben wir natürlich nicht beiseite.
Aber die größten und nachhaltigsten Erfolge hatten wir eben mit Fritz und seinem Dackel. Es kam vor, dass ein Hundeführer ohne Erfolg einen Marder bejagte und dieser erst mit Hilfe von Waldi zur Strecke kam.
Da war mal ein Jäger mit seinem Hund bei uns, der sich in einem gar nicht großen Schuppen alle Mühe gab, den sicher eingespürten Marder zu sprengen. Der Langhaardackel gab wohl hin und wieder Laut, aber nie so recht mit Schärfe und zwingender Manier. Dabei hatten wir mit dem Hecken-Fritz und seinem Hund das Jahr vorher in dieser Scheune einen Marder geschossen! Außer wenigen alten Balken, Brettern und Gerümpel lagerte nur eine kaum meterhohe Altstrohschicht über all den Gerätschaften und bildete den einzigen Unter-schlupf.
In ruhigen, wenig genutzten Gebäuden genügt wenig Deckung, um den Marder zum Bleiben zu veranlassen. Aus diesem Wissen heraus habe ich versucht, in einem vom Dorf abseits gelegenen, heckenumwucherten alten Haus durch Einfahren von Stroh ein künstliches Marder- Tagesversteck zu schaffen.
Das Stroh hatte ich auf ein paar zusammengeschobenen Brettern unter dem Dach gelagert, in der Hoffnung, dass Weißkehlchen beim fast allnächtlichen Durchqueren des alten Brechhauses – darin wurde früher der Flachs von den Bauern gebrochen – verweilen würde. Ringsum hinter den Hecken war freies Schussfeld, das Gebäude nicht groß, und wenn der Marder dort steckte, musste er unschwer zu bejagen sein; abgesehen davon, dass dieses Raubwild in jener Ortschaft häufig rings ums Dorf in Hecken, Stein- und Holzhaufen oder im nahen Wald Unterschlupf suchte und bei dem Gewirr der Spuren manchmal nur ungenau festzumachen war.
So hatte ich mir also von meiner Strohlageraktion Erfolg versprochen. Nur blieb der Nutzen dieser Arbeit aus, und ich vergaß den ganzen Versuch in Anbetracht der vielen Marder, die wir damals andernorts schossen.
Bis mir eines Tages, drei, vier Jahre später, ein Hinweis der Polizei zu Ohren kam, dass sich im alten Brechhaus der geschiedene Mann einer nicht weit von diesem Gebäude entfernt wohnenden Frau mit Stroh eine Lagerstätte hergerichtet hätte … Im Dorf hieß es, er „belagere” seine Exfrau vom alten Brechhaus aus. Nun, ich wusste es besser, wer das Stroh dort hineingebracht hatte.
Aber zurück zu der Marderjagd. So zwei-, dreihundert Meter entfernt lag die andere Scheune, in der wir damals, es mag im gleichen Jahr meines „Biotopversuchs” gewesen sein, das sicher steckende Weißkehlchen nicht erwischen konnten. Bis unser Fuchsmeister kam. Der erinnerte sich sogleich des Vorjahresverstecks, schob seinen Waldi ins richtige Gesperr eines verdeckten, aber zugänglichen Fehlbodens, und das Wild sprang nach wenigen Minuten über gescheiteltes Holz durch einen Anbau in den schneebedeckten Garten, wo es erlegt wurde. Ohne die Hilfe von Hecken- Fritz wären wir auch damals ohne Beute heimgekehrt.
Eine erfolglos abgebrochene Marderjagd muss noch nicht beendet sein, ehe man im Auto sitzt! So standen wir an einem späten Winterabend mit bereits geschultertem Gewehr vor der Scheune und hatten der sinkenden Nacht wegen das Jagen aufgeben müssen. Selbst der unverwüstliche und selten freiwillig aufhörende Hecken-Fritz trat mitsamt Waldi unter dem Arm gerade aus dem Scheunentor – als der Marder auf den Balken eines an die Scheunenwand angebauten Kartoffelsilos hüpfte und aus wenigen Metern Entfernung die vor ihm versammelte Jägerei betrachtete.
Da hob ein nächtliches Schattenschießen an, und wir wurden tatsächlich noch des Weißgekehlten habhaft.
Es ist gar nicht so selten, dass die oft beschriebene Neugier – so bezeichnet man’s gewöhnlich – dem Wild zum Verhängnis wird. Wenn’s still ist in der Scheune und nur der Hund Unruhe schafft, dann stellt sich der Marder viel leichter um, sucht nach stilleren Ecken oder äugt vor einem hohen Balken aus vermeintlich sicherer Entfernung zum Jäger hinunter und wird dabei erlegt; auf diese Art klappt’s oft besser und schneller, als wenn er mit unsinnigem Lärm „ausgeklopft” werden soll.
Der Waldi ist nunmehr dreizehn oder vierzehn Jahre alt, .md die Anstrengungen seines aufregenden Lebens ließen ihn recht lahm werden. Aber er fand würdige Nachfolger. Auch sein Herr, der Fuchsmeister, hat eine längere Krankheit überstanden. Er wird wohl bald wieder müde Jagdherren so lange bearbeiten, bis sie auf ihren Sonntagmittagschlaf verzichten und mit ihm hinausgehen, um Fuchs und Marder nachzustellen.
Eine Episode gehört noch zum Fritz, der schon viele Hasen bei Treibjagden lebendig gefangen hat und auch Marder und Füchse aus ihren Verstecken zog: Er ist der einzige mir bekannte Treiber, der einen flüchtigen Hasen mit dem Stecken wie mit einem „Bumerang” erlegte.
Das geschah so: Bei einem Feldtreiben im Banzenweiler Revier erspähten Fritzens wache Argusaugen auf weite Entfernung einen Hasen in der Sasse; nichts Ungewöhnliches, denn es wird nicht viele Hasen geben, die der Fuchsmeister während seiner Treibertätigkeit übersieht. Als er Lampe nun mit einem weiten Wurf seines Haselnussstockes aufjagen wollte, flog das Wurfgeschoss über Mümmelmann hinaus, während dieser aufsprang, und traf den Flüchtenden ein paar Meter hinter der Sasse im Genick. Der Hase rollierte und blieb leblos liegen.
Wen wundert’s, dass solch ein Mann zum „Fuchsmeister” aufstieg und gemeinsam mit seinem Waldi ein außergewöhnliches Gespann wurde.