Die Begebenheit trug sich in einer Kleinstadt im Sudetenland nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges zu. Meine Tante und ihr Mann betrieben dort eine Kohlengroßhandlung und verfügten über ein großes Grundstück. Leider hatten sie keine Kinder. So war „Hasso”, ein Deutsch-Kurzhaar-Vorstehhund, den mein Onkel zur Jagd führte, praktisch ihr ein und alles. Er war ein treuer Kerl, der aufs Wort gehorchte. Um diesen Hund nun dreht sich meine Geschichte. Ich erlebte fast alles selbst mit, da wir seinerzeit als Flüchtlinge dort wohnten.
Im Mai 1945, kurz nach der Kapitulation, wurden viele Deutsche ausgesiedelt. Die übrigen wurden aus ihren Wohnungen und Häusern hinausgeworfen und in einem Deutschenviertel untergebracht. So erging es auch meinen Verwandten. Sie zogen in einen ausgebauten Pferdestall, der auf ihrem Grundstück stand und früher als Kutscherwohnung diente.
Eines Tages, es mochten wohl drei Wochen verstrichen sein, erschienen zwei Tschechen, ein Gendarm und ein Förster, bei meiner Tante. Sie erklärten ihr, dass nun auch ihr Hund Staatseigentum und einem tschechischen Förster zur Verfügung zu stellen sei – eben dem, der mit dabei war. Meine Verwandten glaubten, nicht richtig gehört zu haben. Sie weigerten sich, den Vierläufer herauszugeben, schließlich gehörte er ihnen. Doch was half es? Hasso musste mit! Ich war gerade dort, und nie werde ich den traurigen Blick des damals achtjährigen Rüden vergessen, als er sich, ohne Laut zu geben, aber immer wie der zurückäugend, mitführen ließ. Es trieb mir die Tränen in die Augen. Still und traurig blieben meine Verwandten in der Wohnung zurück.
Acht Tage später. Meine Tante war übrigens nicht der Typ, der sich ohne weiteres alles gefallen ließ. Auf irgendeine Weise hatte sie herausbekommen, wo der tschechische Förster wohnte. Das war ziemlich weit entfernt, etwa vier Stunden zu laufen. Zeitig in der Früh machte sie sich auf den Weg und kundschaftete dort die nähere Umgebung aus. Sie ging in ein von Deutschen bewohntes Bauernhaus, von dem aus sie das Forsthaus gut beobachten konnte. Dabei sah sie auch ihren Hasso wieder. Meine Tante durfte sich natürlich nicht bemerkbar machen, aber die deutsche Frau war eingeweiht.
So ging meine Tante nun des Öfteren dorthin, um Näheres über die Gewohnheiten des Försters zu erfahren. Die Frau sagte ihr, dass der Forstmann regelmäßig Milch und diverse Sachen bei ihr hole. So einen Tag nutzte meine Tante. Sie ließ der Frau ein Kleidungsstück von sich da, damit Hasso Wittrung bekäme und ihre Spur aufnähme, und ging nach Hause. Man durfte sie ja nicht sehen. Wie es Hasso gelang, dem Förster wegzulaufen, wissen wir nicht. Aber meine Tante war noch nicht ganz zu Hause, als Hasso sie erreichte. Unbemerkt konnte sie ihn in die Wohnung bringen, wo sie ihn versteckt hielt.
Schon zwei Tage später stand der Förster vor ihrer Tür und fragte, ob der Hund da sei. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass ein Hund zu seinem ursprünglichen Herrn zurückliefe. Meine Tante tat erstaunt und verneinte. Hasso verhielt sich derweil mucksmäuschenstill.
Am selben Tag hing im Rathaus ein Steckbrief des Rüden in deutscher und tschechischer Sprache aus. Es war sogar eine Belohnung für den Finder ausgesetzt. Meine Verwandten konnten den Hund natürlich unter diesen Umständen nicht behalten. Irgendwann wäre er doch einmal von jemandem gesehen worden.
Nun hatte meine Tante viele Freunde. Eine deutsche Familie, die noch in ihrem eigenen Haus wohnte, fand sich bereit, Hasso vorübergehend zu verstecken. Er bekam im Garten eine geräumige Hütte, und dort musste er nun bleiben. Früh und abends ging meine Tante, um ihn zu füttern und ein bisschen auslaufen zu lassen. Jedesmal ging er wieder brav in seine Hütte zurück, als wüsste er, worum es ging.
So verstrichen wohl zwei Monate. Meine Tante wurde nicht mehr verdächtigt, der Steckbrief verschwand. Immer mehr Deutsche wurden ausgewiesen. Eines Tages steckte man meine Tante ins Gefängnis. Sie hatte sich unvorsichtigerweise in einem Laden über die politische Lage geäußert. Das Gefängnis war voll solcher „Verbrecher”.
Nun musste sich meine Mutter um Hasso kümmern, meinem Onkel war das zu riskant. Ich, damals 16 Jahre, arbeitete in einem nahe gelegenen Kurort in dem Hotel, und meine Mutter war in einer Fabrik beschäftigt. Um 7 Uhr begann die Arbeit. Nun musste sie täglich vorher noch zu Hasso gehen und abends das gleiche.
Inzwischen rückte der Winter heran. Hassos Hütte wurde mit Decken und Fellen ausgelegt, damit er nicht fror. Es war nun wenigstens dunkel, wenn Mutter zu ihm kam, so dass er auch ein bisschen länger draußen herumtollen konnte. Langsam wurde meiner Mutter das Ganze aber zuviel. Außerdem bestand stets die drohende Gefahr der Entdeckung. Meiner Tante war klar, dass sie nach ihrer Entlassung in ein Lager gehen musste und dann ausgesiedelt werden würde.
Im März 1946 war es dann soweit. In der Nacht durfte sie ein paar Sachen zusammenpacken, früh ging es ins Lager. Was sollte nun mit Hasso geschehen? Sie wollte ihn unter allen Umständen mitnehmen. Inzwischen war die Frau, bei der Hasso untergebracht war, übrigens auch ausgesiedelt worden, und wir hatten ihn wieder an einen anderen Ort gebracht.
Deutsche, die einmal im Lager waren, durften dieses bis zu ihrer Abfahrt nicht mehr verlassen. Daher konnten wir immer nur ein paar Worte durch den Drahtzaun mit meiner Tante reden; meist noch unter Bewachung. Als der Zeitpunkt der Abreise bekannt wurde, beschwor uns meine Tante, ihr doch ja den Hasso zu bringen. Aber wie? Sie machte folgenden Vorschlag: wir sollten versuchen, ihn in einen geflochtenen Reisekorb zu stecken und ihn auf dem Schlitten – es lag noch Schnee – zur Kolonne zu bringen, sobald sie auf dem Weg vom Lager zum Zug war. Wir versprachen, unser Möglichstes zu tun. Abends gegen 20.30 Uhr sollte der Zug abfahren.
Wir nahmen uns nun einen solchen Korb und gingen zu Hasso. Er äugte uns wie immer dankbar an, als wir kamen. Nun redeten wir ihm gut zu, in den Korb zu springen. Das tat er auch sofort, aber trotz aller Mühe ging der Deckel nicht zu. Der Rüde war einfach zu groß. So legten wir ihn wieder an die Kette (er hatte dort keine Hütte) und gingen schweren Herzens zum Bahnhof. Die Leute waren alle schon verladen. Wir stellten uns in den Lichtschein einer Laterne, damit meine Tante, falls sie unserer ansichtig wurde, erkannte, dass wir ohne Hasso da waren.
Wir warteten bis gegen 20 Uhr, dann gingen wir bedrückt nach Hause. Wir mussten uns nun beeilen, denn Deutsche durften sich damals nur bis 20 Uhr auf der Straße aufhalten. Die Armbinden, die wir als Deutsche trugen, entfernten wir an diesem Abend. Die Nacht über fanden wir nur wenig Schlaf.
Am nächsten Morgen wollte Mutter den Hasso füttern. Ich begleitete sie. Was sollte nun aus dem Tier werden? Wir würden ja schließlich auch mal ausgesiedelt werden. Doch wer beschreibt unser Erstaunen, als wir ankamen … er war nicht da. An der Kette hing sein Halsband, aber von Hasso keine Spur. Was war geschehen!?
Nach etwa einem halben Jahr wurden auch wir ausgesiedelt und setzten uns natürlich sofort mit unseren Verwandten in Verbindung. Sie erzählten uns dann folgendes:
An dem betreffenden Abend wartete meine Tante vergeblich auf uns. Auf dem Weg zum Zug hatte sie uns nicht gesehen. Nun musste sie selbst handeln. Nachdem sie schon in einen der Güterwaggons verladen worden war, gelang es ihr noch einmal hinauszukommen. Der Bahnhof lag etwas abseits. Sie schlich über die Felder in die Stadt hinein. Von hier an rannte sie fast die ganze Zeit, denn sie wusste ja nicht, ob der Zug nicht vielleicht vor der festgesetzten Zeit abfahren würde.
Nach etwa 15 Minuten war sie bei Hasso. Da sie die Kette nicht gleich abbekam, streifte sie ihm einfach das Halsband ab. Sie trug einen langen, weiten Lodenmantel. Unter diesem lief nun Hasso im wahrsten Sinne des Wortes „bei Fuß” bis zum Bahnhof. Dort gelang es meiner Tante, wieder unbemerkt einzusteigen. Es dauerte auch nicht lange, und der Zug fuhr los.
Hier im Westen errang Hasso in Kassel noch einige Preise, und er verbrachte noch manches Jahr mit seinem Frauchen. Möge man es dahingestellt sein lassen, ob es nun Mut oder bodenloser Leichtsinn war, was meine Tante damals tat. Vielleicht war auch die Liebe zu dem Jagdhund ihr wichtiger als alle Vorsicht, denn alles hatte man ihr weggenommen: Geschäft, Haus und Grundstück, ja selbst die Heimat. Da wollte sie wenigstens versuchen, ihren Hasso zu behalten. Der beste Weg Ihren Jagdhund beim Jagen geschützt zu werden von Wildschweinangriffen ist mittels der neuen Hunde Schutzweste Protect Pro EVO